Die systematische, illegale Altersdiskriminierung im Bewerbungsprozess

Wir alle wissen es. Wir alle haben es erlebt oder beobachtet. Trotzdem wird kaum darüber gesprochen:

Die systematische, illegale Altersdiskriminierung im Bewerbungsprozess.

Ja, Sie haben richtig gelesen: illegal. Denn Altersdiskriminierung ist in Österreich durch das Gleichbehandlungsgesetz verboten. Und trotzdem geschieht sie täglich, systematisch, im Stillen.

Die unsichtbare Altersgrenze existiert in vielen Formen:

  • Im Bewerbungssystem: Automatische Filteralgorithmen sortieren Geburtsjahre aus
  • In den Köpfen: „Overqualified“ wird zum Code für „zu alt“
  • In der Unternehmenskultur: „Wir suchen ein junges, dynamisches Team“
  • Bei den Gehältern: „Zu teuer“ bedeutet oft „zu viel Erfahrung“
  • In den Stellenausschreibungen: „Digital Native“ oder „frisch von der Uni“ schließen diskret aus

Diese Diskriminierung ist nicht nur unfair – sie ist mit ein Grund, warum Österreich mit nur 60% Beschäftigungsrate bei den 55-64-Jährigen den niedrigsten Wert in der gesamten EU hat.

Aus unserer Sicht ein logischer erster Schritt!

Bevor wir also über komplexe Anreizsysteme nachdenken, sollten wir mit dem Offensichtlichen beginnen:

Stoppen wir die illegale Praxis der Altersdiskriminierung.

Das bedeutet konkret:

1. Transparenz schaffen
  • Unternehmen müssen offenlegen, wie viele Bewerber*innen über 50 sie überhaupt zu Gesprächen einladen
  • Recruiting-Software darf das Alter nicht als Ausschlusskriterium verwenden
  • Stellenausschreibungen müssen auf versteckte Altersdiskriminierung überprüft werden
2. Echte Chancengleichheit herstellen
  • Bewerbungen ohne Geburtsdatum und Foto (wie in anderen Ländern längst üblich)
  • Fokus auf Kompetenzen und Erfahrung, nicht auf Alter
  • Weg von „Jahre seit Studienabschluss“, hin zu „Was können Sie tatsächlich?“
3. Die Vorurteile benennen
  • „Zu teuer“ – oder vielleicht angemessen bezahlt für Expertise?
  • „Nicht flexibel“ – oder vielleicht erfahren genug, um zu wissen, was funktioniert?
  • „Nicht digital“ – oder vielleicht mit mehr Systemverständnis als jeder Digital Native?

Der erste Schritt ist nicht kompliziert. Er ist nur unbequem:

Wir müssen aufhören, so zu tun, als gäbe es die Altersdiskriminierung nicht.

Für Unternehmen: Überprüfen Sie Ihre Bewerbungsprozesse ehrlich. Wie viele Kandidat*innen über 50 bekommen eine echte Chance?

Für die Politik: Setzen Sie das Gleichbehandlungsgesetz durch. Nicht nur auf dem Papier. Schaffen Sie Kontrollmechanismen. Machen Sie Altersdiskriminierung teuer.

Für die Gesellschaft: Hören wir auf mit dem „Hochglanz-Aging“-Theater. Ältere Menschen müssen nicht beweisen, dass sie „noch jung“ sind. Sie müssen zeigen können, was ihre Erfahrung wert ist.

Die Alternative

Wenn der traditionelle Arbeitsmarkt nicht bereit ist, diese Diskriminierung aufzugeben?

Dann sollten wir vielleicht nicht mehr versuchen, Menschen in ein System zu pressen, das sie nicht will. Dann ist die Antwort, ihnen zu ermöglichen, ihre eigenen Systeme zu schaffen.

Die „produktive Fremdheit“ zwischen den Generationen ist nicht das Problem – sie ist die Lösung. Silverpreneurship ist nicht der Notausgang. Es ist der Haupteingang zur Zukunft.

Die Kernfrage

Beginnen wir mit dem Logischsten: Geben Sie älteren Bewerber*innen eine echte Chance.

Nicht als Almosen. Nicht als Diversitäts-Quote. Sondern weil sie qualifiziert sind. Weil sie Erfahrung haben. Weil Diskriminierung illegal ist.

Und dann – erst dann – können wir über Anreize reden.

Ihre klar positionierte

Susanne Stuppacher
Gründerin, The Silverpreneur


PS: Die 40% nicht beschäftigten 55-64-Jährigen in Österreich sind nicht das Problem. Das System, das sie systematisch ausschließt, ist das Problem. Beginnen wir dort.