Traditionell glauben wir, dass ältere Menschen jüngere besser verstehen können, weil sie selbst einmal jung waren. Diese tröstliche Annahme basiert auf der Idee einer kontinuierlichen, vergleichbaren Lebenserfahrung über Generationen hinweg. „Ich war auch mal jung!“ – wie oft haben wir diesen Satz gehört oder selbst gesagt?
Die Realität sieht anders aus. Die Lebenswelten junger Menschen heute unterscheiden sich fundamental von denen früherer Generationen. Es ist, als würden verschiedene Generationen auf unterschiedlichen Planeten leben – im gleichen Universum zwar, aber mit völlig anderen Gravitationsbedingungen.
Die Rahmenbedingungen haben sich radikal verändert:
Technologische Galaxien: Die jungen Digital Natives sprechen fließend TikTok und Metaverse, während die älteren Digital Immigrants noch ihre WhatsApp-Grammatik perfektionieren. Es ist, als würde man versuchen, zwischen analogen und digitalen Welten zu dolmetschen – ohne Google Translate.
Wirtschaftliche Paralleluniversen: Wo Babyboomer von Vollzeitjobs und Eigenheimen träumten, jonglieren Millennials zwischen drei Teilzeitjobs und WG-Zimmern. Die einen kannten Jobsicherheit, die anderen kennen nur Projektverträge.
Neue Bedrohungslagen: Die existenziellen Ängste haben sich verschoben – vom Atomkrieg zur Klimakatastrophe, von der Berliner Mauer zum digitalen Überwachungsstaat. Jede Generation tanzt zu ihrer eigenen Apokalypse-Playlist.
Kulturelle Quantensprünge: Von der Kernfamilie zur Patchwork-Konstellation, vom Nine-to-Five zum 24/7-Hustle, vom Stammtisch zum Discord-Server. Die Wertesysteme haben sich nicht nur gewandelt – sie existieren parallel in verschiedenen Dimensionen.
Perspektivwechsel: Keiner kann sich vollständig in den anderen hineinversetzen – und das ist in Ordnung.
Mehr noch: Es ist sogar großartig!
Die produktive Fremdheit bedeutet, den Druck loszulassen, die andere Generation vollständig verstehen zu müssen. Stattdessen erkennen wir an: Ja, wir verstehen uns nicht wirklich. Und genau darin liegt unsere Stärke.
Diese Akzeptanz befreit uns zu einem neuen Miteinander:
„Verstehen ist überbewertet. Die Akzeptanz des Nicht-Verstehens ist unbezahlbar.“ Diese provokante These ist unser Credo. Denn echte Innovation entsteht nicht aus erzwungenem Verstehen, sondern aus der freudigen Akzeptanz unserer Verschiedenheit.
Wenn die 65-jährige Strategin und der 25-jährige Programmierer ein revolutionäres Produkt entwickeln, dann nicht, weil sie einander verstehen – sondern weil sie akzeptiert haben, dass sie aus verschiedenen Welten kommen, und genau das als ihre gemeinsame Superkraft begreifen.
Die Zukunft gehört nicht denjenigen, die alle Generationen verstehen. Sie gehört denen, die akzeptiert haben, dass vollständiges Verstehen weder möglich noch nötig ist. Die ihre eigene Fremdheit als Geschenk begreifen und die Fremdheit anderer als Bereicherung willkommen heißen.
In einer Welt, in der fünf Generationen gleichzeitig die Unternehmensbühne betreten, ist die Akzeptanz des gegenseitigen Nicht-Verstehens kein Eingeständnis des Scheiterns – es ist die Befreiung zu echter Zusammenarbeit.
Also: Hören wir auf, uns gegenseitig verstehen zu wollen. Fangen wir stattdessen an, unser Nicht-Verstehen zu akzeptieren und zu feiern. Denn in dieser akzeptierten Fremdheit liegt die Zukunft der Innovation.
Willkommen im Zeitalter der produktiven Fremdheit. Willkommen bei The Silverpreneur.